Heute bin ich an der Reihe einen HOMER Autor zu interviewen. Leider ist mein nomminierter Autor Ulf Schiewe im März 2023 verstorben. Er wurde für den historischen Roman “Der eiserne Herzog” für den Goldenen Homer nomminiert. Im Zuge der Homer Historische Literatur 2023 Nominierungen, durfte ich also sein letztes Buch lesen. Irgendwie habe ich im vergangenen Jahr, nach der Preisverleihung, alle nomminierten AutorInnen noch um ein Interview gebeten. Darunter war auch das Interview mit Ulf Schiewe zu stande gekommen. Ich werde also noch einige Fragen daraus entnehmen.
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Die wohl meist gestellte Frage: Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Eigentlich hatte ich mit Literatur überhaupt nichts zu tun, außer, dass ich immer viel gelesen habe. Ich stamme beruflich aus der IT-Welt, speziell Software Vertrieb- und Marketing. Aber Ende 50 hatte ich die verrückte Idee, einen Roman zu schreiben. Nach einem etwas unglücklichen Start musste ich einsehen, dass man besser zuerst das Handwerk lernen und beherrschen sollte. Damit und mit der Recherche und Planung meines ersten Romans habe ich dann ein Jahr verbracht und anschließend losgelegt. So ist in vier Jahren neben meinem Beruf “Der Bastard von Tolosa” entstanden, mit dem ich das Glück hatte, sofort einen Agenten und einen Verlag zu finden.
Ich stellte ihm zu dem im Jahr davor schon nomminierten Buch für den HOMER die Frage: Wie man sich fühlt für seine Leistungen nomminert zu werden?
Natürlich habe ich mich gefreut. Es ist ja eine Wertschätzung, egal ob man den Preis gewinnt. Im Jahr davor habe ich für “Die Kinder von Nebra” tatsächlich den Goldenen Homer gewonnen und im Jahr 2014 sowohl den silbernen wie auch den bronzenen Homer. Es ist schön, einen solchen Preis zu gewinnen, aber man sollte es auch nicht überbewerten.
Erzähl uns doch ein wenig aus Deinem Schreiballtag. Wie sieht ein typischer Schreibtag bei dir aus? Hast Du bestimmte Rituale?
Man muss bei der Stange bleiben und jeden Tag schreiben. Mal mehr, mal weniger aber immer regelmäßig. Sonst wird das nichts. Ich arbeite sechs Tage die Woche, nur sontags nicht. Das musste ich meiner Frau versprechen. Sonntags ist Pause.
Wie läuft mein Tag ab? Ich mache morgens Frühstück. Das nehmen wir gemeinsam im Bett ein, unterhalten uns und lesen die Zeitung. Zwischen 9 und 10 setze ich mich an den Computer und fange an. Zuerst überarbeite und ergänze ich, was ich tags zuvor geschrieben habe. Ich schreibe nicht weiter, bis ich nicht vollständig damit zufrieden bin. Das nimmt mich mindestens bis mittags in Anspruch. Dann schreibe ich weiter an neuem Text. Meistens so bis 4 oder 5 Uhr. Dann gehen wir eine Runde am See spazieren und anschließend koche ich unser Abendessen. Das ist so mein Tagesablauf.
Manche Autoren schreiben relativ schnell eine Rohfassung, die sie dann später überarbeiten, verändern, eventuell neu schreiben. Das funktioniert bei mir nicht. Ich überarbeite sehr sorgfältig schon bei der ersten und einzigen Fassung. Setzt natürlich auch einen guten Plotplan voraus. Auch dafür nehme ich mir Zeit, bevor ich mit dem Schreiben anfange. All das hat den Vorteil, dass ich im Grunde fertig bin, wenn ich das letzte Wort getippt habe. Ich gehe dann nur noch flüchtig durch und mache kleinere Wortverbesserungen.
Du hast bereits mehrere Bücher geschrieben und veröffentlicht. Gibt es noch Romanideen für andere Genre, z.B. Sachbuch oder …?
Ja, inzwischen sind es 16 Romane geworden. Ein Sachbuch zu schreiben habe ich nicht vor. Ab und zu liebäugele ich mit der Idee, einen spannenden Thriller zu schreiben, aber ich bin nun mal als Autor von historischen Abenteuern bekannt, also ist es wohl besser, dabei zu bleiben.
Hast Du Vorbilder im Schreibbereich – Lieblingsautoren oder Romane, die Du selbst gern geschrieben hättest?
Ich habe Lieblingsautoren wie jeder Leser, aber Vorbilder würde ich sie nicht nennen. Im Gegenteil. Natürlich gibt es eine gewisse Art von Roman, die mir besonders gefällt. Unbewusst baue ich Romane wahrscheinlich ähnlich auf. Aber einen bestimmten Autor als Vorbild zu nehmen, dagegen wehre ich mich. Ich will mir meinen eigenen Stil, meine eigene Autorenstimme bewahren und vielleicht erweitern, aber niemanden nachahmen. Das würde nur unecht wirken.
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Ulf Schiewe (1947-2023)
Nun habe ich mir bei seinen Kindern, die Mithilfe erbeten, etwas über Ulf Schiewe als Vater zu erfahren: Wie war er zu Dir/Euch als Vater und was habt ihr an ihm wertgeschätzt? Was nimmst Du/Ihr mit auf Deinem/Eurem Lebensweg? Wie bist Du oder seid Ihr damit umgegangen, wenn er seiner Autorenarbeit nach gegangen ist? Habt ihr seine Bücher auch gelesen?
Aber auch bei den AutorenInnen – und VereinskollegenInnen, oder bei einigen VerlagsmitarbeiterInnen habe ich um die Mithilfe erbeten: Wie, wo und wann Sie Ulf Schiewe kennen gelernt hatten und wie die Zusammenarbeit ausgesehen haben könnte oder was Sie an Ihm geschätzt hatten?
Schaut und lest selbst, was ich in Erfahrung bringen konnte:
Christina Schiewe (Tochter):
Papa war ein Freigeist und Autodidakt – alles was ihn interessierte, brachte er sich selbst bei.
Ein Wesenszug, der meinen Vater aber besonders auszeichnete, war sein unaufhörlicher Wissensdurst und seine kindliche Neugierde für alle möglichen Themen. Täglich las er mehrere Tages-Zeitungen aus dem In- und Ausland oder las verschiedenste Bücher für seine Recherchen. Er beherrschte mehrere Sprachen fließend, und hatte eine beeindruckende Allgemein-Bildung.
Sätze, die er immer wieder sagte und mich, als seine mittlere Tochter, bis heute im Leben begleiten, lauten:
I am Ok. You are Ok.
übernehme für dein Leben alles Gute aus allen Kulturen. Von allen kannst du etwas lernen.
Du kannst das.
Strukturiere deine Gedanken. Alles was du wissen musst, steht in Büchern.
Talent allein reicht nicht. Mit Fleiss kommt man weiter.
Wer schwierige Phasen schon in der Schule überwindet, der ist später im Leben erfolgreich.
Folge deinen Träumen und Interessen.
In unserer Kindheit lebten unsere Eltern die klassische Rollenverteilung. Mein Vater verdiente das Geld, unsere Mutter sorgte für die Kinder zu Hause. Beide waren mit dieser Rollenverteilung zufrieden. Damals noch als Softwaremanager tätig, war unser Vater beruflich viel in den USA und Europa unterwegs. Er hatte deshalb nicht viel Zeit für uns. An den Wochenenden aber, nahm er sich immer wieder die Zeit, um mit uns Kindern wandern zu gehen oder persönliche Gespräche zu führen oder uns aus seinen Lieblings Büchern vorzulesen. Er teilte gerne sein Wissen mit uns über Geschichte, Politik und Wissenschaft. Wir Kinder lernten ständig von ihm. Wenn er uns Gedichte vorlas, rührte ihn die Schönheit der Sprache manchmal zu Tränen. Das ergriff mich immer wieder, wo er doch im Alltag eher strategisch, zielgerichtet und rational wirkte.
Papa war kein strenger Vater, er hatte auch keine strengen Moralvorstellungen. Im Gegenteil. Wir hatten viele Freiheiten, solange die Leistungen in der Schule stimmten. Es war ihm wichtig einen offenen und respektvollen Umgang mit uns zu pflegen und jedes Kind gleich zu behandeln. Als Kind und junger Erwachsener hatte er von seinen Eltern sehr wenig Unterstützung für seine kreativen Interessen erfahren, was ihn lange traurig werden ließ, wenn er an sie dachte. Daher war es ihm wichtig, dass wir Kinder unsere Träume verfolgen und uns durch nichts unterkriegen lassen. Auch legte er großen Wert darauf, dass wir selbstständig auf eigenen Beinen stehen. Er machte uns immer wieder klar, dass wir für unser Leben selbst verantwortlich seien. Uns nachts von der Disco zu holen oder Umzugskartons zu schleppen, war nicht seine Sache – aber Texte zu überarbeiten und Gespräche zu führen, das machte ihm Spaß.
Sein Talent und die Liebe zur Malerei, lebte er aus, indem er immer wieder unsere Mutter auf Leinwand malte. Die Nachbar-Kinder riefen einmal “bei den Schiewe’s hängen nackte Frauen an der Wand”. Mir war es bis dahin gar nicht richtig aufgefallen. Aber so war es!
Mama war seine Muse. Er mochte es, wenn sie über Literatur, Künstler und Philosophen sprach. Sie inspirierte ihn immer wieder mit ihren witzigen Gedanken und Einfällen. Sie brauchten nur sich zwei.
Und dann gab es noch die Musik bei uns. Vor allem Bossa Nova und Jazz.
Papa spielte auf seiner Gitarre. Auch wir Kinder führten regelmäßig Musik-Stücke vor. Ich mit meinem Saxophon, meine ältere Schwester auf der Gitarre und und mein jüngerer Bruder am Klavier. Unsere Eltern tanzten auch immer wieder zu Tom Jobim und Stan Getz im Wohnzimmer. Wir hatten unseren Spass ihnen dabei zuzusehen.
Im Sommer verbrachten wir den Großteil unserer Wochenenden und Sommerferien wir auf unserem Segelboot in Holland, das Papa damals kaufte. Er interessierte sich nicht für Häuser und Sicherheit. Er bevorzugte klar das Abenteuer.
Bei Wind und Wetter segelten wir nonstop von Holland nach Frankreich. An der rauen Nordsee konnte es oft kalt und regnerisch sein. Stolz sagte er dann: „Wir sind doch keine Schönwettersegler“. Bei unseren Touren übten wir regelmäßig Segelmanöver, wie “Mann über Bord“, ich steuerte gern das Ruder und hielt den Kurs, während mein Vater die Route berechnete. Meine Mutter kochte wacker mittags unter Deck, egal wie sehr das Boot auch schaukelte. Mein Bruder war noch recht klein und schaukelte den halben Tag in einer Babyschaukel mit den Wellen auf und ab. Manchmal hatte ich Angst vor diesen riesigen Wellen, die sich vor uns auftaten und dabei noch größere Schluchten nach sich zogen, und wie sich das Boot in den Wind neigte, so dass wir uns mit dem ganzen Gewicht dagegen stemmen mussten. Meine ältere Schwester und mein Vater liebten es.
Tag und Nacht blieben wir auf hoher See ohne Land zu sehen und erlebten dabei die schönsten Sonnenauf- und untergänge.
Wie stolz wir waren, als wir nach einer 4 Tages-Etappe mit salzverkrusteten Haaren endlich im Hafen ankamen – Das waren für uns die größten Abenteuer!
Die Erfahrung härtete uns ab und schweisste uns zugleich als Familie zusammen.
Ich werde nie vergessen, wie Papa uns im Sommer bei Sonnenuntergang bei Frankreich weckte, um uns die Delphine zu zeigen, die um das Boot herum schwammen. Oder wie er ohne jegliches Taucherequipment unter Wasser tauchte, um eine riesige Plastikplane, die sich an der Schiffsschraube verfangen hatte, mit einem Messer weg zu schneiden. Es war eine glückliche, unbeschwerte Kindheit, voller aufregender Erlebnisse.
In seinen 50ern hatte Papa dann eine handfeste innere Krise. Er konnte sich mit seinem Job nicht mehr identifizieren. Und auch zu Hause mussten meine Eltern einige längere Turbulenzen überstehen. Schließlich fasste Papa seinen Mut zusammen, hängte seinen Job an den Nagel und folgte endlich seiner künstlerischen Berufung und wurde Schriftsteller.
Mit seinem ersten Buch, an dem er parallel zum Job einige Jahre arbeitete, gelang es ihm auf Anhieb einen Agenten und kurz darauf einen Verleger zu finden. Von da an, hörte er nicht mehr auf zu schreiben.
Wir waren sehr stolz auf ihn. Überhaupt haben wir an ihm immer wieder bewundert, wie konsequent und leidenschaftlich er alles anging. 16 Bücher schrieb er und es hätten noch viele viele mehr werden können.
Ulf war ein Mann, der nie stehen blieb, der sich immer weiter entwickelte und nach Verbesserung strebte.
Für uns war Papa ein Held. Für dieses Andenken und dieses Beispiel sind wir ihm für immer dankbar.
Christina Auerswald – Vorstand von HOMER Historische Literatur e.V.:
Ich habe Ulf letztes Jahr auf der Lesung in Ingolstadt persönlich kennen lernen dürfen. Ich habe mich mit ihm darüber unterhalten, welches sein Lieblingsbuch ist, und er sagte, es sei nicht das erfolgreichste, sondern das, bei dem ihm die Recherche den meisten Spaß gemacht hat. Der Attentäter. Das habe ich mir daraufhin gekauft.
Sabine Weiß – Autorin, Journalistin und HOMER-Vereinsmtglied:
“Ulf Schiewe war nicht nur ein akribischer Rechercheur, und toller Autor, sondern auch ein begeisterter Erzähler, was es zu einem Vergnügen machte, mit ihm zu reden und ihm zuzuhören.”
Natalja Schmid – Verlagsleiterin bei Knaur Belletristik:
“An die Zusammenarbeit mit Ulf Schiewe erinnern wir uns im Lektorat sehr gerne zurück: seine sympathische und zugängliche Art bleibt unvergessen. Mit “Der Bastard von Tolosa” erschien 2009 bei Droemer Knaur sein erster Roman, der sich durch eine unglaublich fesselnde Sprache und große Bildgewalt ausgezeichnet hat. Diesen Roman nehmen die KollegenInnen aus dem Bereich Historischer Roman heute noch gerne als Referenztitel her. Es folgte eine Reihe weiterer, sehr gut recherchierter und vor allem spannender Abenteuerromane. Seine Ideen hatten immer Hand und Fuß, zugleich war Ulf Schiewe offen für Vorschläge seitens des Lektorats. Diese überaus kooperative Zusammenarbeit haben wir an ihm sehr geschätzt.”
Dr. Stefanie Heinen – Lektorin bei Lübbe:
“Ulf Schiewe war ein warmherziger, wertschätzender und ideenreicher Mensch, der mit Herz und Seele Historische Romane schrieb. Er war begeistert, wenn er während seiner Recherche auf eine besondere Begebenheit gestoßen war, und hat uns mit dieser Begeisterung immer wieder angesteckt. Er hat sich immer sehr genau mit den Menschen in der Geschichte beschäftigt und es dadurch geschafft, den Figuren in seinen Romanen Lebendigkeit und Authentizität zu verleihen.
Die Zusammenarbeit mit Ulf Schiewe war sehr partnerschaftlich, respekt- und vertrauensvoll. Das fing bei der Ideensammlung in den Exposés an, ging während der Arbeit am Manuskript weiter und endete auch nicht bei der Abstimmung von Covergestaltung und Klappentexten.
Besonders geschätzt habe ich Ulf Schiewes nicht nachlassende Neugier, sein Interesse für Historisches, sein Wissen, seinen Spürsinn für neue Themen – und seine Offenheit, sich auch auf Vorschläge aus dem Verlag einzulassen. Er war warmherzig und wertschätzend und gleichzeitig absolut professionell. Wenn er ein neues Manuskript – immer pünktlich! – abgegeben hat, war es wirklich fertig: der Plot durchdacht, der Text lebendig im typischen „Schiewe-Sound“ geschrieben und so gut wie fehlerfrei. Und wenn hier und da etwas doch noch nicht hundertprozentig passte, war er offen und dankbar für Änderungsvorschläge. Mehr kann sich eine Lektorin fast nicht wünschen.”
Alexandra Richter – Bloggerin (Homer-Bloggerin):
Ich durfte Ulf Schiewe im vergangenem Jahr noch persönlich auf der Preiserleihung in Ingolstadt treffen und etwas kennen lernen. Er nahm meine Blogarbeit sehr ernst und schrieb in mein Büchlein: Tolle Blogtour und bleib uns treu. Seine Worte habe ich nun für mein Dasein auf ewig und ich halte auch unser kleines Gespräch in Erinnerung. Er ist ein aufgeweckter Zuhörer gewesen, wollte von mir wissen wieso und seit wann ich blogge. Ich bekam von ihm dann den eisernen Herzog zugeschickt und heute bereue ich es, das ich mir Zeit ließ reinzulesen. Ich hätte ihm so gern erzählt, wie ich seinen Historischen ROMAN verschlungen habe.
Besuchen könnt ihr den Autor hier im Internet:
http://www.ulfschiewe.de
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