Interview mit Ines Keerl

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1. Wer ist Ines Keerl? Magst du dich mal vorstellen?

Wer ich bin? Eine schwierige Frage. Beruflich Drehbuchautorin und Autorin, privat Mutter, Freundin, Gefährtin – und vor allem eine Suchende. Ich bin neugierig, forsche gern in der Geschichte, um die Zusammenhänge dieser Welt zu verstehen. Mein Wunsch ist dabei, die verborgenen Fäden zu entdecken, die alles verbinden.

2. Die wohl meist gestellte Frage: Wie bist du zum Schreiben gekommen?

Ich habe da den „klassischen“ Weg genommen. Ich wollte schon immer schreiben und habe schon immer geschrieben. Das kam in meinem Elternhaus als Berufswunsch leider nicht so gut an. Erst der Brotberuf. Das war dann bei mir Betriebswirtschaft. Nach neun Jahren in der Unternehmensberatung bewarb ich mich dann an der Drehbuchwerkstatt München und machte eine Masterausbildung zur Drehbuchautorin. Seit dieser Zeit habe ich vom Brot- auf den Traumberuf umgesattelt. Ich wurde 1997 die erste Dramaturgin der Krankenhausserie „In aller Freundschaft“. Sie gibt es noch immer… Aus meiner Feder stammen bis heute mehr als hundert Drehbücher verschiedener Formate, darunter das ZDF-Märchen „Die sechs Schwäne“, Drehbücher für „SOKO Leipzig“, etc.

3. Du wurdest mit der Buchreihe “DIE LÖWIN VOM TAFELBERG” für den Goldenen Homer 2024 nominiert. Das ist ein Preis für hervoragende Historische Literatur. Wie hast du dich gefühlt, als du von der Nominierung erfahren hast?

Ich war einfach nur glücklich und dankbar, eine solche Ehrung zu erfahren, und habe mich unheimlich darüber gefreut, dass die Geschichte meiner Protagonistin Catharina Ustings, die ja wirklich gelebt hat, eine solche Würdigung findet. 

4. Wie lange hast du an dem Buch gearbeitet?

Ganz, ganz lange…… 2007 kam ich das erste Mal mit Catharina Ustings in Berührung. Ich war im Rahmen einer Jourmalistenreise über das Musical “African Footprints” auf dem Weg nach Kapstadt und habe im Flieger in einem Reiseführer fünf Sätze über diese Frau gelesen. Augenblicklich zog eine Hollywoodstory an meinen Augen vorbei. Dann kam jedoch erst einmal das Leben dazwischen und Catharina spukte zwar in meinem Kopf herum, aber andere Menschen, Umstände und Drehbücher hatten Priorität. 2012 flog eine Freundin nach Kapstadt. Ich erzählte ihr von Catharina, dem Land, das sie 1682 geschenkt bekommen hatte und heute eines der bekanntesten Weingüter Kapstadts ist. Ich erzählte von ihrem Ehemann, überhaupt das, was ich wusste. Das war nicht viel… Die Freundin besuchte „Steenberg“ und kam mit Fotos zurück. Und mit der Aussage, dass mich die Hoteldirektion, damals Gaby Gramm, mit allem unterstützen würde. Da war es dann vorbei mit Absichtserklärungen und Prokrastinieren. Ich musste “Butter bei die Fische tun” und begann mit der Arbeit. Es folgten neben Hauptberuf und Familie Jahre des Recherchierens in Archiven, Reisen nach Amsterdam, Lübeck, auch noch mal nach Kapstadt gezielt auf Catharinas Spuren. Da kommt man schnell vom Hölzchen aufs Stöckchen und ich hatte gefühlte 40.000 Puzzleteile, aber keinen roten Faden. Der kam dann mit den beiden anderen schillernden Frauenfiguren: Eva/Krotoa und Groote Catharina/Amisha. Dann ging es ganz schnell im Vergleich zu den Jahren davor. 2019 war das Buch fertig. Ich machte mich auf Agentursuche, die machte sich wiederum auf Verlagssuche. Und dann kam Corona und mein Buch wurde auf Eis gelegt. Damals war ich sehr traurig. Im Nachhinein war es mein Glück, dass das Buch erst in 2023 erschienen ist. So konnte ich Lesungen halten und auf Messen gehen. Das alles wäre vorher Corona zum Opfer gefallen.

5. Wenn du eine traurige, witzige oder spannende Szene schreibst, fühlst du dann mit?

Unbedingt. Wenn ich es nicht fühle, hat die Szene noch nicht den richtigen Ton und sie muss überarbeitet werden. Ich möchte ja auch Gefühle bei den Leser:innen erzeugen und das kann ich in meinem Empfinden nur, wenn ich es selber fühle.

6. Welche Dinge verfolgst du mit Leidenschaft?

Schreiben, Reisen, Wandern, Kaffee trinken…

7. Wer ist deine liebste historische Figur?

Das wechselt. Es war lange Zeit Diane de Poitier, auch mal Marie Curie. Unbedingt meine Protagonistinnen: Krotoa/Eva, Groote Catharina/Amisha, meine Catharina Ustings. Aktuell ist es Lili’uokalani, die letzte Monarchin von Hawaii, die sich gegen die USA und die Kolonialisierung ihres Landes stemmte. Meine liebsten historischen Figuren sind kurz gesagt starke Frauen. Gerne auch unbekannte, denn genau sie brauchen eine Stimme und werden dann vielleicht bekannt…

8. Du hast bereits mehrere Bücher geschrieben, allerdings in einem anderem Genre, und natürlich auch veröffentlicht? Willst du dazu Stellung nehmen …

Du meinst die Sachbücher? Da habe ich z.B. mit meiner Kollegin Karin Lichtenstein ein Kochbuch namens “Kleine Sterneköche” herausgegeben. Der Arbeitstitel für uns war “Der Geschmack der Kindheit”. Wir haben 33 Europäer:innen verschiedener Nationen gefragt, welche Gerichte sie am liebsten gegessen haben, als sie Kinder waren und an welche Anekdoten sie sich erinnern. Die 99 Gerichte haben wir dann mit 21 Kindern über Monate hinweg nachgekocht und fotografiert. Das war ein tolles Projekt. Das Buch, das bei Ehrenwirth erschienen ist, ist leider vergriffen. Das Ganze war ja schon 2006.

9. Weißt du bereits vorher genau, was in deinen Büchern passiert? Oder arbeitest du dich an einen genauen Handlungsplan entlang oder brechen dir die Figuren schon mal aus und erfinden ihre ganz eigene Geschichte?

Ich komme ja aus dem Drehbuchbereich und da arbeiten wir mit Exposés, Treatments, dann die Szenen “ausschreiben”. Das hilft ungemein, den Überblick zu behalten. Gerade bei “Die Löwin vom Tafelberg” hat mir ein solcher Handlungsplan am Anfang sehr geholfen, bis sich vor allem im zweiten Akt, zweiter Teil, die Figuren verselbständigt haben. Sie haben sich regelrecht verweigert, und das war gut so. Das geht mir übrigens bei dem zweiten Band von Catharina genau so, wieder im zweiten Teil des zweiten Aktes, der nun ganz anders wird als geplant.

10. Gibt es bereits neue Projekte, die in Arbeit sind und von denen du erzählen möchtest bzw. darfst?

Ja, ich überarbeite gerade Band 2 von Catharina Ustings, der im nächsten Frühjahr erscheinen soll. Im ersten in sich abgeschlossenen Band findet Catharina ja ihre Heimat in Südafrika. Aber sie ist noch nicht auf ihrem eigenen Land, dem Weingut. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Catharina hat nach wie vor einen Feind in der Vereinigten Ostindischen Compagnie (VOC), der sie und ihre Freund:innen ein für alle Mal loswerden möchte. Wieder einmal wird Amisha zum Zünglein an der Waage. Und dann betritt noch ein weiterer faszinierender Charakter das Geschehen: Der charismatische Kommandant Simon van der Stel, der so ganz andere Vorstellungen von der Zukunft Kapstadts hat als die VOC und ihre machthungrigen Vertreter. Catharina hat sich ein Hollywoodende wirklich verdient. Schließlich hat sie es von einer Analphabetin und ausgestoßenen Waise zur unabhängigen Landbesitzerin geschafft. Doch eines ist sicher: Ohne ihre Weggefährt:innen und Freund:innen wäre ihr das nicht gelungen.

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