Interview mit Jørn Precht

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1. Wer ist Jørn Precht? Magst du dich mal vorstellen?

Photocredit © Dominik Rößler/Penguin Random House GmbH

Nach meinem Magisterabschluss in Germanistik und Anglistik habe ich das Aufbaustudium Drehbuch und Creative Producing an der Filmakademie Baden-Württemberg absolviert und dann als Drehbuchautor zahlreiche, teils preisgekrönte TV- und Kinostoffe entwickelt. Seit 2012 bin ich Professor für Transmediales Storytelling an der Hochschule der Medien Stuttgart. 2016 begann ich meine Zusammenarbeit mit der Journalistin Eva-Maria Bast. Zunächst erschienen die Sachbücher „Stuttgarter Geheimnisse“ und „Flensburger Geheimnisse, und seit 2018 veröffentlichen wir als Autorenteam unter den offenen Pseudonymen Charlotte Jacobi und Romy Herold historische Romane, von denen sich mehrere in der Spiegel-Bestsellerliste platzieren konnten. 2017 erschien mein historischer Solo-Roman „Das Geheimnis des Dr. Alzheimer“, der mit dem bronzenen HOMER-Preis für den besten historischen Roman ausgezeichnet wurde.

2. Die wohl meist gestellte Frage: Wie bist du zum Schreiben gekommen?

Das wurde bei mir schon in Kindertagen initiiert, und zwar durch die Kinderbuchserie Petzi, die im dänischen Original “Rasmus Klump” heißt. Als ich im Alter von fünf Jahren meinen Vater bei einem Ausflug an den Uracher Wasserfall fragte: „Warum gibt es eigentlich keine Geschichte, in der Petzi seine Freunde Pelle und Pingo kennenlernt?“, antwortete er: „Schreib du sie doch.“ Ich glaube, er hat nicht geahnt, was er damit lostritt, mir aber dann irgendwann eine in der Zeitungsredaktion ausgemusterte Schreibmaschine mitgebracht. Als ich über vier Jahrzehnte später durch den Praktikumsbericht einer Studentin erfuhr, dass ausgerechnet in Ludwigsburg eine 3D-Version meines Kindheitshelden Petzi für eine ZDF-Serie entstehen soll, war ich wie elektrisiert. Dann bei Studio SOI als Autor der Serie einsteigen zu dürfen, war neben meiner Arbeit mit dem Hollywood-Regisseur Roger Spottiswoode meine bisher schönste berufliche Erfahrung. Zwischen Lego-Modellen und vielen Animatoren, die die Storys gleich vor Ort am Computer umgesetzt haben, Petzi-Geschichten zu suchen, war so ein bisschen Storyteller-Himmel. Aber auch sehr kniffelig – während es bei der Krimi-Serie Soko Stuttgart (mein erster Job beim ZDF) ja primär um routinierte Konstruktion von Blindspuren und Tatmotiven geht, muss man bei einer Preschool-Serie Konflikte finden, die auch im Kindergarten nachvollziehbar sind. Die viele Arbeit wurde dann aber mit Einschaltquoten bis zu 70 Prozent in der Zielgruppe belohnt.

3. Du wurdest mit deinem zweiten Solo-Roman “DIE HEILERIN VOM RHEIN” wieder für den Goldenen Homer 2024 nominiert. Das ist ein Preis für hervoragende Historische Literatur. Wie hast du dich gefühlt, als du von der Nominierung erfahren hast?

Ich bin vor Freude ausgeflippt. Immerhin gab es über 80 Einreichungen von Verlagen, es dann zum zweiten Mal auf die Shortlist der zehn Juryfavoriten zu schaffen, war eine große Ehre.

4. Wie lange hast du an dem Buch gearbeitet?

Mehr als ein Vierteljahrhundert, ehrlich gesagt. 1996 übernachtete ich in der Wohngemeinschaft meines Bruders Lars in Hamburg. Ich durft e das Zimmer seines Mitbewohners » DJ Stachy « alias Rafael Stachowiak nutzen, der in jener Zeit verreist war. Als ich am CD-Spieler auf » Play « drückte, kamen nicht wie erwartet moderne Tanzrhythmen aus den Boxen, sondern sphärische Klänge, die an Gregorianik erinnerten, vorgetragen allerdings von hohen Frauenstimmen. Ich fühlte mich augenblicklich in eine andere Welt, eine andere Zeit versetzt. Von wem stammten diese ungewöhnlichen Kompositionen ? Es stand im Booklet der CD – A Feather on the Breath of God: Diese Vokalmusik war im zwölften Jahrhundert von der deutschen Äbtissin Hildegard von Bingen geschrieben worden. Im Büchlein befand sich auch eine Kurzbiografie der Komponistin, sowie natur – und heilkundigen Universalgelehrten Hildegard von Bingen – faszinierte mich auf Anhieb genauso wie ihre Musik. Wie konnte es sein, dass die auf regende Vita dieser Benediktinerin noch nicht Stoff eines großen Filmes geworden war ? Bei den Versuchen einer Veröffentlichung meiner Version ihrer Geschichte hatte ich jedoch zwei Rückschläge zu verkraften. Kurz vor Vertragsabschluss mit einem Schweizer Belletristik- und Sachbuchverlag im Jahr 1998, dem neunhundertsten Jubiläum der Geburt Hildegards, waren mir viele Autorinnen und Autoren mit einer wahren Bücherflut zuvorgekommen. Angesichts dessen zog sich der Verlag vor der Unterzeichnung zurück. Ähnlich ging es mir einige Jahre später beim Versuch, eine Drehbuchversion » meiner « Hildegard zu platzieren. Nach ersten Gesprächen mit Sat.1 über ein mögliches Event Movie fürs Fernsehen kam die Nachricht, dass die Regisseurin Margarethe von Trotta einen Hildegard-Kinofilm nach eigenem Buch drehen würde. Mehr als ein Jahrzehnt nach dem Film und nach vielen Buchveröffentlichungen bat mich mein Hausverlag  Piper um einen möglichen Beitrag zur Reihe » Bedeutende Frauen, die die Welt verändern «. Da fiel mir Hildegard wieder ein. Inzwischen gab es neue Forschungsergebnisse über die berühmte Äbtissin, außerdem hatten sich meinerseits natürlich Weltsicht und Erzählstil geändert – deshalb erstellte ich 2022 eine komplett neue Version des Romans.

5. Wenn du eine traurige, witzige oder spannende Szene schreibst, fühlst du dann mit?

Ja, in der Tat lache oder weine ich oft beim Schreiben. Und manchmal will ich vor Spannung gar nicht mehr aufhören zu tippen. Ich denke, das ist grundsätzlich ein gutes Zeichen.

6. Welche Dinge verfolgst du mit Leidenschaft?

Im Buchbereich verfolge ich mittels Hörbüchern auf Autofahrten die Werke meiner Lieblingsautorenkolleg:innen. Außerdem schaue ich gern historische Serien wie “The Durrells at Corfu” und “Downton Abbey”. Ich folge natürlich auch den Karrieren meiner Lieblingsbands und -interpreten wie ABBA, Dead Can Dance, Cocteau Twins, Slowdive und Kim Wilde. Außerdem schwimme ich gern, dabei kommen mir oft gute Ideen und hilfreiche Lösungen für den Plot. Außerdem unterrichte ich leidenschaftlich gern an meiner Hochschule der Medien in Stuttgart.

7. Wer ist deine liebste historische Figur?

Im Moment weiterhin Hildegard von Bingen. Ich bin aber auch fasziniert von allen, die in der Vergangenheit und Gegenwart gegen Faschismus gekämpft haben oder noch kämpfen.

8. Du hast bereits mehrere Bücher geschrieben und veröffentlicht. Gibt es noch Romanideen für andere Genre?

Ja, ich denke seit längerem an einem Musical und einer Krimiserie herum.

9. Weißt du bereits vorher genau, was in deinen Büchern passiert? Oder arbeitest du dich an einen genauen Handlungsplan entlang oder brechen dir die Figuren schon mal aus und erfinden ihre ganz eigene Geschichte?

Zu Beginn jage ich jeden Charakter, auch die Nebenfiguren und Antagonisten, für den ersten Handlungsentwurf durch die Struktur von acht Sequenzen in drei Akten. Aber tatsächlich entwickeln die Charaktere dann oft ein Eigenleben und greifen – auch ausgelöst durch den historischen Kontext – selbst in den Handlungsablauf ein.

10. Gibt es bereits neue Projekte, die in Arbeit sind und von denen du erzählen möchtest bzw. darfst?

Ende Februar erscheint unter unserem Pseudonym Romy Herold ein Roman über Clara Ritter, die Erfinderin des Schokoladequadrats. Solo arbeite ich wieder an einer mittelalterlichen Romanbiografie, die dann Ende Mai bei Piper erscheinen soll, den Titel darf ich aber erst ab 7.10. vorstellen.

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