Interview mit Silke Böschen

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1. Wer ist Silke Böschen? Magst du dich mal vorstellen?

Ich bin 53 Jahre alt, lebe mit Ehemann und zwei Töchtern (11, 13) sowie Rauhaardackel Fiete in Hamburg. Geboren und zur Schule gegangen bin ich in Bremerhaven. Nach einem Zeitungsvolontariat habe ich in Dortmund Journalistik und Politikwissenschaften studiert und mein Diplom gemacht. Die nächste Station war Berlin, wo ich 12 Jahre gelebt habe. Dort habe u.a. beim ORB – dem späteren RBB -gearbeitet: Vor und hinter der Kamera. Auch im Ersten war ich zu sehen – in der ARD-Sportschau, in den Tagesthemen und beim investigativen Politik-Magazin Kontraste, das ich moderiert habe. Weiter ging es nach Frankfurt/M. Dort habe ich meine Töchter zur Welt gebracht und mit dem Schreiben begonnen. Mittlerweile arbeite ich an Band III von „Träume von Freiheit“. Außerdem bin ich als Fernseh-Reporterin fürs ntv Nachrichtenfernsehen unterwegs und als Trainerin tätig.

2. Die wohl meist gestellte Frage: Wie bist du zum Schreiben gekommen?

Als Kind habe ich sehr gern Geschichten erzählt und selbst sehr viel gelesen. Beides mache ich heut noch gern, nur dass ich jetzt meine Geschichten zu Papier bringe. Der entscheidende Moment für meinen ersten Roman war im Frühsommer 2009. Meine älteste Tochter war erst ein paar Wochen alt und lag im Stubenwagen. Um sie zum Einschlafen zu bringen, las ich ihr vor. Weil sie viel zu klein war, um zu verstehen, was ich vorlas, entschied ich mich für eine alte Chronik über Bremerhaven – meine Heimatstadt. In dem Buch bin ich auf die „Thomas-Katastrophe“ gestoßen, einem Verbrechen aus dem 19.Jahrhundert, von dem ich zuvor noch nie gehört hatte. Meine Neugierde war geweckt. Ich begann zu recherchieren… und zehn Jahre später hielt ich „Flammen am Meer“ in den Händen.

3. Du wurdest mit dem Buch “Träume von Freiheit” für den Goldenen Homer 2022 nominiert. Das ist ein Preis für hervoragende Historische Literatur. Wie hast du dich gefühlt, als du von der Nomminierung erfahren hast?

Ich war wirklich sehr überrascht! Am Anfang konnte ich es gar nicht richtig glauben, doch meine Literatur-Agentin bestätigte mir, dass es alles mit rechten Dinge zugeht. Ich war und bin immer noch sehr stolz, dass es mein Buch „Ferner Horizont“ – also Band II von „Träume von Freiheit“ – auf die Shortlist geschafft hat. Vielleicht lande ich mit Band III, der 2024 erscheinen wird, auf einem der vorderen Plätze…

4. Wie lange hast du an dem Buch gearbeitet?

An „Ferner Horizont“ habe ich etwa 2 Jahre gearbeitet. Da in meinen Büchern echte Frauen, die wirklich gelebt haben, die Hauptrolle spielen, gehört viel Recherche dazu. Das ist häufig sehr zeitintensiv. Es gibt zwar viele Informationen im Internet (auch dort kann die Recherche sehr aufwendig sein), aber am allerschönsten ist es natürlich, wenn ich die Orte selbst besuchen kann, in denen die Geschichte spielt oder wo es noch Spuren meiner Figuren gibt. So bin ich zum Beispiel in Dresden über mehrere alte Friedhöfe spaziert und habe tatsächlich Gräber von Amerikanerinnen und Amerikanern entdeckt, die zur amerikanischen Kolonie im Dresden des 19.Jahrhunderts gehörten und in meinem Roman eine Rolle spielen.

5. Erzähl uns doch ein wenig aus deinem Schreiballtag. Wie sieht ein typischer Schreibtag bei dir aus? Hast du bestimmte Rituale?

Nachdem die Kinder gegen halb acht aus dem Haus sind und ich den Dackel ausgeführt habe, setze ich mich an den Schreibtisch. Ich höre gern klassische Musik beim Schreiben. Händel oder Bach zum Beispiel. Aber nur ganz leise. Dann skizziere ich das Kapitel, das an dem Tag „dran ist“, häufig lese ich meine Arbeit vom Vortag noch einmal durch, damit es keine Lücken gibt, und dann geht’s los. Minimum sind immer tausend Wörter. Gern mehr. Ich versuche, nicht zu streng mit mir zu sein, damit der Schreibfluss nicht zum dünnen Rinnsal wird sondern munter plätschert.

6. Was machst du hinterher, wenn das Buch beendet und veröffentlicht ist? Stürzt du dich gleich in den nächsten Schreibmarathon?

Dann bin ich erstmal erschöpft und erleichtert zugleich. Bislang habe ich schon immer eine Idee für den nächsten Roman im Kopf. Doch die lasse ich erst einmal sacken und kümmere mich um Lesungen etc. für mein aktuelles Buch.

7. Du hast bereits mehrere Bücher geschrieben und veröffentlicht. Gibt es noch Romanideen für andere Genre, z.B. Sachbuch oder …?

Ja, es gibt noch weitere Ideen. Vorerst bleibe ich dem historischen Roman treu. Eine weitere, sehr abenteuerliche Geschichte habe ich schon im Kopf. Sie spielt wieder in 1870er Jahren und handelt von einer echten Frau, die ungeheuer mutig war, aber längst vergessen ist.

8. Weißt du bereits vorher genau, was in deinen Büchern passiert, d.h. arbeitest du dich an einen genauen Handlungsplan entlang oder brechen dir die Figuren schon mal aus und erfinden ihre ganz eigene Geschichte?

Da es sich um Geschichte nach wahren Begebenheiten handelt, ist häufig ein gewisser Handlungsrahmen vorgegeben. Den versuche ich, gründlich abzuklopfen und suche nach ergänzenden Fakten in meiner Vorarbeit. Dann plotte ich das Ganze zum Roman. Das heißt, es gibt ein Gerüst. Auf dem turnen die Figuren aber manchmal sehr selbstständig und selbstbewusst herum. Das heißt, sie entwickeln ein Eigenleben und bringen dann oft eine ganz eigene Linie mit hinein.

9. Hast du Vorbilder im Schreibbereich – Lieblingsautoren oder Romane, die du selbst gern geschrieben hättest?

Ich lese gern Autoren aus dem 19.Jahrhundert: Charles Dickens, Theodor Fontane, Eduard von Keyersling. Ich mag aber auch zeitgenössische SchriftstellerInnen wie z.B. Jane Gardam oder John Williams. Seine Bücher „Butcher’s crossing“ und „Stoner“ finde ich sehr, sehr gut.

10. Gibt es bereits neue Projekte, die in Arbeit sind und von denen du erzählen möchtest bzw. darfst?

Ich arbeite gerade an Band III von „Träume von Freiheit“. Darin geht es – wie in den beiden vorangegangenen Bänden – um Amerikanerinnen, die im 19.Jahrhundert in Deutschland gelebt haben und die ein ungewöhnliches Schicksal hatten. Wieder nach wahren Begebenheiten. Dieses Mal spielt eine schwerreiche Erbin aus New York die Hauptrolle. Sie heiratet Ende des 19.Jahrhunderts einen deutschen Grafen aus Schlesien und versucht sich in der Welt des preussischen Adels zurechtzufinden. Als moderne Amerikanerin stößt sie auf Standesdünkel und Ablehnung. Und auch ihr Millionen-Vermögen löst Neid aus. Trotzdem wird sie ihren Weg gehen. Es ist eine bitter-süße Geschichte. Gerade war ich ein paar Tage in Polen und habe das ehemalige Schloß meiner Hauptfigur besucht. Das steht noch und wird vor dem Verfall gerettet und saniert. Ich bin durch die Räume gegangen, in denen z.B. der Kaiser übernachtet hatte, stand vor alten riesigen Kachelöfen und vor einem kaputten Flügel, auf dem meine Protagonistin vielleicht vor über hundert Jahren selbst einmal gespielt hat. Gänsehaut-Momente auch für mich als Autorin. Im Frühjahr 2024 erscheint der Roman im Gmeiner-Verlag.

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