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Interview mit Birgit Hermann

✽•*¨*•๑✿๑★ Autoreninterview ★๑✿๑•*¨*•✽

1. Wer ist Birgit Hermann? Magst du dich mal vorstellen?

Ich bin eine ganz normale gebürtige Schwarzwälderin: verheiratet, drei erwachsene Kinder, doppelt so viele Enkel… aber – und da hilft es nix, dass ich seit 30 Jahren in einer Klinik arbeite – ich leide an einem unheilbaren Virus, das sich tief in mein Herz gefressen hat und ich einfach nicht loswerde. Vielleicht will ich das gar nicht? Man sieht mir ja nichts an. Wehe wenn es ausbricht – und das passiert sehr oft – verwandelt es mich in kürzester Zeit in eine andere Person. Ich kann dann plötzlich in einem früheren Jahrhundert leben, mir Menschen herbeizaubern und wenn mal die falschen darunter sind, lasse ich sie einfach zu Tode kommen, ohne je zur Rechenschaft gezogen zu werden. Ist die akute Phase wieder vorbei – sie kann schon mal 2-3 Jahre anhalten – lebe ich wie jeder andere, gehe meiner Arbeit nach…bis zum nächsten Anfall. Ob diese Krankheit ansteckend ist? Das hoffe ich doch sehr. Zumindest in passiver Form. Erst einmal infiziert, seid ihr wie benommen. Das Außen existiert für euch nicht mehr, ihr lebt in einer Art Dämmerzustand. Hineingezogen in meine Welt.

2. Die wohl meist gestellte Frage: Wie bist du zum Schreiben gekommen?

Meine Großmutter öffnete mir die Tür in die magische Welt. Wir haben uns zusammengekuschelt und zugeschaut, wie aus dem Schatten an der Wand ein wildes Pferd wurde, das über den Himmel galoppierte.

Richtig intensiv wurde es, als mein Sohn in der Schule über das Leben seiner Vorfahren berichten sollte. Da ist der Groschen endgültig gefallen. Die Lehrerin war schon längst am nächsten Thema und ich saß immer noch im ehemaligen Klosterarchiv und studierte das Leben der Nonnen zur Zeit Napoleons, als das Kloster geplündert wurde… und das in meinem Nachbarort? Ich konnte es nicht fassen! Wie lebten die Menschen damals? Meine Vorfahren waren Uhrenmacher, das Kopfkino ging los…der Roman hieß dann Die Apfelrose und erschien 7 Jahre später. Das ist nun über 20 Jahre her. Ich glaube ich habe mir damals im kalten Archiv das Virus eingefangen.

3. Du wurdest mit dem Buch “Aschenbrennerin” für den Goldenen Homer 2022 nominiert. Das ist ein Preis für hervoragende Historische Literatur. Wie hast du dich gefühlt, als du von der Nominierung erfahren hast?

Ich war aus dem Häuschen, kam mir vor wie der Kuckuck in der Schwarzwälder Uhr, der mal kurz den Kopf in die große weite Welt strecken darf und dabei einen Freudenschrei ausstößt. Dann schlägt das Türlein zu und der Vogel muss wieder alleine vor sich her brüten, hoffend, dass der Verschlag nochmals aufgeht.

4. Wie lange hast du an dem Buch gearbeitet? Wie verlief die Recherche zu diesem Buch?

Es läuft immer ineinander über; Recherche, Schreiben, die Orte des Geschehens besuchen, Gespräche mit Experten führen, in Museen oder alten Chroniken stöbern, auf Kleinigkeiten achten und mich in die Geschichte hineindenken. Vor allem auch viel Fachwissen aneignen. Ich muss dann in der Geschichte, wenn sie anfängt zu laufen, quasi mitspielen und immer in der Handlung anwesend sein. Nur so kann ich die feinen Nuancen in der Gefühlswelt der Protagonisten erspüren, weiß, wann eine Situation eskaliert…

Es vergehen gut drei Jahre, dann braucht der Verlag noch etwa ein Jahr bis alles – einschließlich dem Lektorat – steht und dann druckreif ist.

5. Erzähl uns doch ein wenig aus Deinem Schreiballtag. Wie sieht ein typischer Schreibtag bei dir aus? Hast Du bestimmte Rituale?

Erstens muss ich einen freien Vormittag haben, da schreibe ich traditionell am liebsten. Unter einen halben Tag Freizeit lohnt es sich nicht anzufangen. Denn Du weißt ja, wenn das Virus sich erst einmal ausbreitet, bin ich wie im Trance. Früher musste ich darauf achten, dass die Kinder in der Schule waren und ich meine Ruhe hatte. Kam doch mal einer früher heim, oder ich hatte die Zeit verpasst, sagten sie nur: Mamma ist wieder im vorletzten Jahrhundert….Diese Schreibzeit ist mir geblieben. Ich richte mich gemütlich ein, in der dunkleren Jahreszeit hilft eine Kerze, Tee oder auch mal eine Tasse Kaffee. Und dann tauche ich ab.

6. Was machst du hinterher, wenn das Buch beendet und veröffentlicht ist? Stürzt du dich gleich in den nächsten Schreibmarathon?

Ich sammle schon während des Schreibens Material für das nächste Projekt. Als das Virus noch neu und ganz heftig war, habe ich schon vor dem Lektorat einen neuen Ausbruch provoziert. So toll war das Gefühl des Fieberwahns! Inzwischen gönne ich mir eine kurze Erholungsphase zwischen größeren Arbeiten, man wird ja nicht jünger und die Außenaufgaben können ganz schön penetrant Gehör fordern. Aber irgendetwas liegt immer auf dem Schreibtisch und wenn es nur kleine Stücke oder Artikel sind, die in einer Schaffenspause abgearbeitet werden. Die sind dann wie warmlaufen für den nächste Ansturm.

7. Du hast bereits mehrere Bücher geschrieben und veröffentlicht. Gibt es noch Romanideen für andere Genre, z.B. Sachbuch oder Krimis …?

Immer; soviel kann ich gar nicht auf einmal schreiben, wie mein Kopf mir Ideen ausspuckt. Hin und wieder ist ein Kurzkrimi, ein Theaterstück dabei, oder, siehe unten…

8. Weißt Du bereits vorher genau, was in Deinen Büchern passiert, d.h. arbeitest Du Dich an einen genauen Handlungsplan entlang oder brechen Dir die Figuren schon mal aus und erfinden ihre ganz eigene Geschichte?

Meine Figuren sind ein wilder Sauhaufen, das kann man so sagen. Die machen was sie wollen und ich sitze da und muss zuschauen, dass ich nicht verpasse aufzuschreiben, was sie gerade wieder aushecken. Ich brauche eigentlich nur eine Büchse aufzumachen; Ort, Zeit, historischen Hintergrund und Personen, ja und vielleicht ein Handwerk hineinschmeißen. Schon brodelt die Suppe.

9. Hast Du Vorbilder im Schreibbereich – Lieblingsautoren oder Romane, die Du selbst gern geschrieben hättest?

Sehr beeindruckt hatten mich in meiner Jugend “Die Nebel von Avalon” von Marion Zimmer Bradley. Das Buch steht heute noch ziemlich ramponiert in meinem Bücherregal. Da war alles drin, was mir Flügel verlieh. Irgendwann werde ich es nochmals lesen.

10. Gibt es bereits neue Projekte, die in Arbeit sind und von denen Du erzählen möchtest bzw. darfst?

Nächstes Jahr wird ein Bühnenstück von mir im ehemaligen Kloster (s.o.) aufgeführt. Z.z. arbeite ich an einem Buch, aber keinem Roman. Ich bin nebenbei noch Naturparkführerin und da beschreibe ich historische Orte im Südschwarzwald. Man könnte es als alternativen Reiseführer bezeichnen. Text und Bilder. Aber es wird noch eine Weile brauchen, ich habe erst den Vertrag unterschrieben.

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